Fenix Semi
Da rief mich ein Kunde an, dessen Fenix Semi-Akustik einen nicht funktionierenden Halsstab hatte. Ursächlich dafür können verschiedene Dinge sein, er selbst hat dann auf meinen Rat hin Beilagscheiben unter die Mutter gelegt, doch erfolglos. Das roch nach Ärger, so bat ich ihn, mit Gitarre vorbeizukommen.
Einmal auf den Sezier-Tisch, so konnte man die Halsstab-Mutter bis Josef anziehen, doch an der Krümmung änderte sich da rein gar nix. Der Spannstab selbst kam jedoch immer weiter aus dem Hals heraus, was auf einen Bruch des Stabs oder auf ein gebrochenes Lager am anderen Ende hinweist. Wir entschieden uns, den Hals zu retten, also mussten wir die Position des Lagers ausfindig machen. Und da fing es an, lustig zu werden....
Wo ist nun das Ende des Halsstabs, damit ich dort das Griffbrett öffnen kann? Da man weder die Bauart noch die Länge erkennen konnte, hätte man nun mit der Bohrmaschine wild drauflos stochern können, aber das Griffbrett hat so schöne Inlays, daß ein zielsichere Bohrung wünschenwert, nein, unbedingt nötig war. Wir wollten den Schaden ausserdem in finanziellen Grenzen halten, d.h. hinterher so wenig wie möglich wieder zukleistern müssen.
Da hatte der Kunde eine hervorragende Idee: Er fragte mich, wo hier der nächste Arzt mit Röntgen-Gerät wäre... Ich war verblüfft und schickte ihn dann aber zum Knochen-Doktor ums Eck. Die Sprechstunden-Hilfe war gar nicht begeistert ("wir haben hier so viele Notfälle, da müssen sie warten..."), jedoch der Arzt war neugierig, denn eine Gitarre hatte er auch noch nicht durchleuchtet und schon hatte mein Kunde ein perfektes Röntgen-Bild in der Tasche.
Darauf konnte ich nun deutlich einen großen Punkt erkennen, den ich sofort als Halsstab-Lager erkannte. Das war mein Ansatzpunkt.
Ran an den Speck! Zwei Bünde entfernen, das Palisander aufbrechen und bis zum Halsstab-Lager aufbohren. Und ich bohrte und bohrte und bohrte..... da sollte ich doch schon lange auf Eisen stossen... bohrte und bohrte... Sack und Asche, da stimmt was nicht, kein Halsstab weit und breit... STOP!
Nochmal das Röntgenbild betrachtet und mit der Gitarre verglichen… ach du liebe Zeit. Der Punkt auf dem Bild ist der Gurtpin auf der Rückseite des Halsfußes! Der berühmte Schuss in den Ofen… O.K., ich entfernte dann - einen Bund daneben - das Palisander und endlich kam er auch schon zum Vorschein, der Halsstab... mannohmann... Sofort war auch klar, um welche Bauart es sich handelt. Dieser Trussrod ist eine Gewindestange über der ein ebenso schmales und langes Bandeisen liegt. Am Ende ist beides zusammengeschweißt, und eben diese Schweißnaht ist gebrochen. Doch zur üblichen Ausstattung einer Gitarrenbauer-Werkstatt gehört selten ein Schweiß-Apparat, also was tun? Glücklicherweise ist mein übernächster Nachbar ein pensionierter Schlossermeister, da schlappte ich kurzentschlossen mit der Gitarre bewaffnet hinüber.
„Servus Richard, ich hab da einen Patienten“ sagte ich, als er mir mit kuscheligen Hausschuhen die Tür öffnete. Sein Blick wanderte völlig verständnislos zwischen mir und dem Gitarrensack hin und her. „Jetzt kommst erst amal herein.“ Er bot mir einen Platz an seinem Küchentisch an, und wir tauschten zuerst kreuzwichtige Nachbarschaftlichkeiten aus. Dann kamen wir aber zur Sache.
„Ahso, eine Gitarre ist das… da ist ein Eisenstab drin… warum?“ Ich erklärte die Sachlage und er grübelte kurz darüber nach, welchen Schweiß-Apparat er dafür verwenden könne, dann begaben wir uns in die Katakomben des Hauses. Er wechselte die Schuhe an der Kellertreppe (ich durfte meine anbehalten) und vor einer verheißungsvollen Eisentüre wechselte er nochmals die Schuhe. „Das ist jetzt meine Werkstatt!“ Ich betrat ehrfürchtig den rußgeschwärzten Raum und fand eine komplett ausgestattete Schlosserei mit Esse, verschiedenen Ambossen und allerlei Werkzeugen zur Metallbearbeitung vor, das hätte ich dem bürgerlichen Haus nicht zugetraut.
An die Arbeit: Zum Schweißen braucht man immer Masse, denn da fließt – was sage ich – schießt ja ausgiebig Strom durch die Teile, die man zusammenfügen will. Doch da war zuwenig Platz da, um die Masse-Zwinge anzubringen, also schnitt er schnell ein dickes Blech zurecht, in welches er ein Loch bohrte. Das konnten wir nun am Kopfplatten-Ende des Halsstabes festschrauben und daran konnten wir die Schraubzwinge befestigen… verstanden? Bevor er sich den Schweiß-Schild vors Gesicht hielt, wies er mich noch warnend darauf hin, dass das Holz 1 – 2 cm um den Schweiß-Tatort herum verbrennen würde, und evtl die Griffbrett-Einlagen auch. Wir deckten also die Inlays ab, das verbrannte Holz wollte ich in Kauf nehmen (ich musste lachen und an Gibsons „baked maple fingerboards“ denken… ob der Pipper das schon mal probiert hat? Achso, der steht ja gerade mehr aufs Einfrieren.).
Beachtlich, wie der schätzungsweise 70-jährige Mann mit ruhiger Hand treffsicher einen amtlichen, sauberen Schweißpunkt setzte. Der Profi halt. Ich war glücklich.
Breit grinsend tastete ich mich mit verblitzten Augen wieder die Treppe hinauf – er brauchte etwas länger, musste ja die Schuhe 2mal wechseln – bedankte mich ausführlich und zog zufrieden davon.
Für mich fing die Arbeit jetzt erst an, denn die offene Wunde musste wieder sauber verschlossen werden. Das bedeutete: alle entfernten Holzstücke wieder an die richtige Position zurückleimen, als Kleber wird 2-Komponenten-Zeugs verwendet, das füllt auch gleich die anfängliche „Such-Bohrung“, Planschleifen, Bundschlitze nachgesägt, Bünde zurückgeklebt, abgerichtet, poliert, geölt… aber das dokumentieren die Bilder besser, als ich schreiben kann.
Und nun die Frage für unsere Klang-Neurotiker: Hat das Schweißen den Klang beeinflusst und in welcher Weise??? Die Antwort ist klar, ohne das Instrument vor der Operation gehört zu haben: Jaaa! Der Besitzer der Gitarre wird nach dieser Reparatur-Aktion die Gitarre anders spielen, sie ist ihm nun ans Herz gewachsen, er hat einen besonderen Draht zum Instrument aufgebaut, deshalb klingt das jetzt herzhafter, drahtiger. Glaubt mit halt mal was!